101 I Ausstellung vom 10. November 2021 bis 7. Januar 2022 (verlängert bis 25. Februar 2022)

»Kastenbilder aus der Kastenrepublik«
SÁNDOR DÓRÓ

Mit Erfindung der Fotografie, Druck- und Reproduktionstechnologien wird die selbstreflexive Bestimmung der Malerei und ihre aktive Unterscheidung von Ware und Informationsmedium virulent. Das seither von Kunstkritik und Künstlerschaft prophezeite „Ende der Malerei“ avanciert mit Beginn der Moderne zur Grundfigur ihres Selbstverständnisses. Auch die Postmoderne der 1980er Jahre ist eine solche Epochenschwelle. In den USA und Europa kommt es zur Wiederaufnahme moderner Positionen.

Sándor Dóró inkorporiert den eigenen seriellen Installationen die vom massiven Bedeutungsverlust betroffenen Objekte der materiellen Kultur des Staatssozialismus. Zeitgleich entstehen seine seriellen Kastenbilder in Gestalt unregelmäßiger Polygone, basierend auf zwei miteinander legierten Leinwänden, in Form eines Rechtecks und eines rechtwinkligen Trapezes. Dóró rekurriert hier auf die Tendenz der shaped canvas, ein v.a. in den USA der 1960er Jahre praktiziertes künstlerisches Konzept.

Den Bruch mit dem orthogonalen Tafelbild nutzt Sándor Dóró allerdings für dreidimensionale Raumillusionen, die der Rezipient frontal betrachtend als diagonal versetzte Kastenformen wahrnimmt. Er sieht eine in leichter Aufsicht geöffnete Box, auf deren Rückwand der diagonal verlaufende Schlagschatten aufscheint. Mitunter wechselt die Licht-Schattenregie, doch stets sind innere Rückwand und äußere Vorderseite die Bühne für die gestisch-informelle Malerei des Künstlers, die trotz ihrer Einbindung in das Raumkonzept auch als autonome Tafelbilder gelesen werden können.

Die Identität von Sujet und Bildträger, eine Invention des abstrakt arbeitenden US-Amerikaners Jasper Jones, wird von Dóró rezipiert, um sie jedoch wieder in die einstige Bildhaftigkeit der Malerei zu transferieren. 2020 greift der Künstler das Sujet erneut auf. Entgegen dem in den 1980er Jahren dominierenden seriellen Charakter der Kastenbilder variieren Format und Faktur. Brand- und Rauchspuren, Collagen, Rasterungen und plane Flächen öffnen die „Kastenrepublik“ für neue Raumwirkungen.

Katharina Arlt