In der Villa Eschebach zeigt der konstruktiv arbeitende Dresdner Künstler Jean Kirsten (*1966) auf drei Etagen Malerei, Objekt- und Installationskunst und gibt damit einen repräsentativen Einblick in sein komplexes künstlerisches Schaffen.
Seit 2009 setzt sich Jean Kirsten mit der sogenannten Labanotation auseinander, dem Notationssystem einer Tanzschrift, die der einflussreiche Choreograf und Tänzer Rudolf von Laban in den 1920er-Jahren entwickelte. Dieser hatte anthropologische, philosophische und mathematische Ideen zusammengebracht, um die Spannbreite menschlicher Bewegung räumlich zu erfassen und abbildbar zu machen.
Inspiriert von Labans Zeichensetzungen‘ fotografierte Jean Kirsten zunächst Tänzerinnen und Tänzer und entwickelte auf der Grundlage dieses fotografischen Formen-Reservoirs eigene Arbeiten. In den seither entstandenen abstrakten Druckgrafiken, Gemälden und Collagen sowie Glas-, Holz- und Textilarbeiten ergründet Kirsten die Relation von Bewegung, Körper, Raum und Zeit in ganz unterschiedlichen künstlerischen Gattungen, Materialien, Techniken und Formaten.
Dabei werden die auf Laban zurückgehenden Notationen oder auch die fünf Platonischen Körper zwar als abstrakt-geometrische Prinzipien zugrunde gelegt, aber überformt und
erweitert. Die Abstraktion des Ausgangsmaterials, das Collagieren, Staffeln und Stilisieren der konstruktivistischen Formen bewirken eine Verfremdung, die zu einer neuen Konzentration und Sublimierung führt. Kirsten setzt Flächenhaftigkeit und Tiefenräumlichkeit, Hell und Dunkel, Form und Negativform kontrastierend gegeneinander. In der Zusammenschau scheinen die Formen und Linien jedoch in Bewegung zu geraten und ineinander überzugehen, sodass das optische und räumliche Bewusstsein der Besucher*innen zugleich verunsichert und geschärft wird.
Dr. Teresa Ende, Kunsthistorikerin, Dresden